Dienstag, 20. November 2012

Früher waren die Zombies irgendwie besser

George Lucas vertickt sein Filmimperium an Disney, und die Aufregung über diese Nachricht wird sich allem Anschein nach so schnell nicht legen. Ich persönlich kann weder die Hoffnungen der einen nachvollziehen, die jetzt auf eine Revitalisierung von Star Wars in einer Post-Lucas-Ära setzen, noch die Buhrufe der anderen, die ihr Lieblingsfranchise schon zur quietschigen Spielerei verkommen sehen. Dazwischen gibt es die, die mit den Achseln zucken und meinen, schlimmer als die Prequel-Trilogie könne es doch nicht werden. Das stimmt zwar, aber es heißt eben auch nicht, dass es besser wird.

Und dass es besser werden könnte, übersteigt zugegebenermaßen meine Vorstellungskraft. Nicht deshalb, weil man im Hause Disney keine guten, unterhaltsamen Filme machen könne. Ich glaube eher, dass mit dem Versagen der Prequel-Trilogie an ihrem eigenen Anspruch eine Gesetzmäßigkeit deutlich wurde, die von Hollywood gerade mit aller Kraft ignoriert wird: Eine Filmreihe nach jahrzehntelanger Unterbrechung wieder aufzuwärmen, als sei unterdessen nichts passiert, funktioniert einfach nicht. Dennoch wird immer wieder versucht, alten Franchises neues Leben einzuhauchen. Im Kino wimmelt es seit einigen Jahren von reanimierten Leichen: Rocky, Indy, Rambo und demnächst wohl auch der Schwarzenegger-Conan sollen den Geist vergangener Zeiten erneut heraufbeschwören – bezeichnenderweise handelt es sich meist um den Geist der 80er Jahre, den sich eigentlich niemand, der einigermaßen bei Trost ist, zurückwünschen kann.

Am besten funktioniert der Wiederbelebungsversuch noch in den Fällen, in denen der zeitliche Abstand zum letzten Film nicht so groß war, etwa bei Die Hard. Meist handelt es sich aber um Wiedergänger, auf deren Auferstehung aus dem Grab ich liebend gern verzichtet hätte. Lucas hat mit seiner Prequel-Trilogie die Formel, nach der so ziemlich alle genannten Beispiele funktionieren, vorgegeben: Uns fällt zwar nichts neues ein, aber die technischen Möglichkeiten sind heute halt besser. Man kann sich eine Kulisse wie Coruscant oder Massenschlachten zwischen Klontruppen und Separatisten am Computer basteln, was früher nicht möglich war. Und so ziemlich alles andere, was einen guten Film ausmachen würde, gerät anscheinend nicht mal in den Blick.

Will man ein filmisches Universum wirksam aktualisieren, kann man das nur mit den Mitteln der Ironie tun. Eine ironische Haltung bedeutet immer auch ein Eingeständnis des Scheiterns: So sehr man auch möchte, man kann nie vollständig mit seinem früheren Selbst identisch sein. Das gilt für Individuen wie für Kunstwerke. Klingt hart, aber an sich ist das ironische Scheitern überhaupt kein Grund zum Verzagen. Im Gegenteil, es ermöglicht höchst kreative Wege zur Selbstkritik und wurde deshalb in der Romantik zum Kunstprinzip erhoben. Es ist die Tragik vieler Hollywood-Fortsetzungen, dass sie diesem produktiven Scheitern an sich selbst immer wieder entgehen wollen, indem sie einfach immer nur das, was bereits im vorangegangen Werk erreicht wurde, mit Hilfe verbesserter Technik zu übertreffen versuchen. Man muss doch noch einmal das Gleiche erreichen können, wenn man sich nur anstrengt – dieser verbitterte, irgendwie auch kindische Ernst ruiniert alles und stellt letztlich ein viel weitergehendes Versagen dar, als das Eingeständnis des ironischen Scheiterns es je sein könnte.

Dabei machen ausgerechnet die Bond-Filme vor, wie es gehen könnte: Jede neue Inkarnation von Bond, diesem unerklärlich faszinierenden »relic of British imperialism« (Anthony Burgess), beruht auf der Einsicht, dass Bond nicht mehr ungebrochen so sein kann, wie er einmal war. Schon Roger Moore wusste, dass er nicht mit Connerys Bond identisch werden konnte. Er versuchte deshalb gar nicht erst, in der Rolle aufzugehen, sondern präsentierte sie (in seinen besseren Momenten jedenfalls) mit gelassener, ironischer Distanz, wie Jens Jessen vor einigen Wochen in einem ansonsten eher unfreiwillig komischen Artikel in der Zeit schrieb. In dieser Sache hat Jessen aber uneingeschränkt Recht: Der schlechteste Bond ist Pierce Brosnan, weil er lediglich versuchte, seine beiden Vorgänger sklavisch zu imitieren, statt sich in Einsicht des Unmöglichen an die Umdeutung seiner Rolle zu machen.

Wenn aber das ironische Scheitern an der Fortsetzung eines filmischen Werks die einzige Möglichkeit ist, seine Seele zu retten, ist Star Wars unwiederbringlich verloren. Denn wenn George Lucas mit der Prequel-Trilogie irgendetwas gezeigt hat, dann nur dieses, dass er ein völlig ironiebefreiter Mensch ist. Es ist an der Zeit, Star Wars in Frieden ruhen zu lassen.

2 Kommentare:

JL hat gesagt…

Ich sehe das nicht ganz so fatalistisch, finde den Ansatz aber hochinteressant. Ein gutes Beispiel dürfte hier doch auch Batman sein, oder sogar Watchmen (als ironische Wiederauferstehung des Superhelden per se).

Was mir an diesen Filmen nicht ganz behagt, ist allerdings die Tendenz, dieses "ironische Scheitern" in ein "immer dunkler, immer düsterer, immer gebrochener" münden zu lassen (meist mit einer Prise "immer mehr Action" oben drauf), das gar keinen Raum für "echte Helden" mehr lässt und auf seine Weise auch schon wieder eine kreative Sackgasse darstellt. Gerade bei Filmen (oder Helden), die eigentlich mal für ein eher jugendliches Publikum gedacht waren, sollte man es damit nicht übertreiben, denn wer mit einem unverstellten Blick auf diese Filme zugeht, interessiert sich nicht für das Scheitern der älteren Generation. Letztlich sind das kreative Kämpfe, die diese mit sich selbst ausficht: Wie schafft man es, den "Geist" von einst wiederauferstehen zu lassen, wenn man im Grunde längst von ihm gelangweilt ist? Ich bin gespannt, wie J.J. diese Frage im neuen Star Trek beantworten will.

Ein anderes, vielleicht erfolgreicheres Beispiel (thinking of Benedict Cumberbatch) wäre Sherlock.

Murilegus rex hat gesagt…

Guter Hinweis. So ein plakatives »Ihr wollt einen Held, ich bin aber nur ein abgefuckter Bastard« wird mir auch schnell anstrengend. Ich vermisse da das Spöttische und die Leichtigkeit.

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.