Mittwoch, 20. Juni 2012

Die Reise beginnt

In meiner letzten Rezension zum Dark-Tower-Comic habe ich Unsinn geredet: Der sechste Band Die Reise beginnt wurde keineswegs von Richard Isanove gezeichnet, sondern von DC-Zeichner Sean Phillips (Ex-DC-Zeichner müsste ich korrekterweise wohl sagen). Wer meine Rezensiererei zu Der Dunkle Turm verfolgt hat, weiß, dass ich Jae Lees Stil gegenüber dem von Isanove bevorzuge und die ersten drei, von Lee gezeichneten Bände mir am meisten zusagen. Dass nun mit Sean Phillips ein dritter Zeichner zum Zuge kommt, ist dennoch kein Grund zur Traurigkeit. Phillips, bekannt für seinen Noir-Stil, ist weitaus eigenständiger als Isanove. In Die Reise beginnt sieht alles neu, interessant und anders aus. Die Darstellung von Rolands Lehrer Cort etwa erinnert mich an Yul Brynners Auftritt in Adios, Sabata, einem der irrwitzigsten und unterhaltsamsten Italo-Western.* Dass Roland auf dem Titelbild ein wenig wie Indiana Jones aussieht (glücklicherweise ohne Peitsche), ist dagegen wohl eher Zufall.

Storymäßig lehnt der Band sich stark an The Gunslinger an, den ersten Teil von Stephen Kings Romanreihe. Es gibt eine Rahmenhandlung, die während Rolands Aufenthalt bei dem einsiedlerischen Maisfarmer Brown spielt, also zu dem Zeitpunkt, zu dem auch die Handlung von The Gunslinger einsetzt. Roland erzählt Brown von den Ereignissen unmittelbar nach der katastrophalen Schlacht von Jericho Hill, welche die eigentliche Story von Die Reise beginnt bilden. Dabei gibt es am Anfang noch etwas Durcheinander, weil einige Plot-Probleme, die der vorhergehende fünfte Band aufgeworfen hat, dringend der Reparatur bedürfen. Vor allem betrifft dies das allzu unspektakuläre Ende einer wichtigen Nebenfigur. Ich kann nicht behaupten, dass dieser Reparaturversuch sonderlich gelungen wäre. Er zeugt eher von dem Bemühen, einen Anschluss an die vorherigen Bände zu finden und die Handlung danach endlich fortsetzen zu können. Was zuvor vermurkst wurde, wird also auch hier nicht unbedingt besser, aber immerhin kann es nach einer Weile mit Rolands Geschichte weitergehen. Erzählt werden Rolands Erlebnisse in der Stadt Kingstown, die unter den Folgen des Krieges zwischen den Revolvermännern und John Farson leidet. Genutzt wird diese Episode, um zahlreiche Motive vorwegzunehmen, die in den chronologisch später angesiedelten Romanen eine Rolle spielen.

War ich zu Anfang nicht gerade glücklich, hat mich die Geschichte von Die Reise beginnt am Ende dann doch überzeugt. Sie stellt eine gelungene Überleitung zu dem Handlungsbogen dar, der sich in The Gunslinger und der Prequel-Geschichte »The Little Sisters of Eluria« eröffnet. Darüber hinaus stellt Sean Phillips’ Stil, wie bereits erwähnt, eine echte Bereicherung dar.

Die Reise beginnt von Stephen King (Idee), Robin Furth (Story), Peter David (Skript), Sean Phillips (Zeichnungen) und Richard Isanove (Kolorierungen) ist 2012 bei Heyne erschienen. Die Übersetzung stammt von Oliver Hoffmann.

* Unterhaltsam nicht zuletzt deswegen, weil darin jede Menge blonde und blauäugige Österreicher mit komischen Namen wie »Oberst Schimmel« von mexikanischen Freischärlern vertrimmt werden (der Film spielt während der Episode des österreichischen Kaisertums in Mexiko).

Keine Kommentare:

Foto-Disclaimer

Das Foto im Blog-Header wurde freundlicherweise von Sandra Rugina zur Verfügung gestellt. Es zeigt den Bâlea-See in den rumänischen Karpaten. Alle Rechte liegen bei der Autorin.